Hitler würde Medienwissenschaft studieren

Die Vernissage ist schlecht besucht, unglaublich viele Menschen stehen vor der Tür und erzählen zu viel, zu viele. Das Tor zur Kunst wird von jungen Männern mit individuellen Schuhen bewacht.  Fussballer haben oft ausgefallene Frisuren, damit sie sich von den anderen Spielern auf dem Platz unterscheiden. Ich hab noch Bier.

„Kannst du das Bier bitte draußen lassen, vors Tor stellen oder so?“

Eure Kunst, eure Regeln. Ich bin nur Gefangener. Unten gibts dann ja auch Sekt umsonst und viel zu viel Freiraum, oder?

Die Bilder hängen in 1,5 Meter Abständen auf immer gleicher Höhe. „Schön akkurat“, singt einer meiner Begleiteten den neuen Song eines kürzlich bekannt gewordenen Elektrokollektivs.

Bei dem vierten Bild gefällt mir die weiße Wand dahinter sehr. Beim fünften werde ich aber ziemlich stark geblendet und sehe deswegen für eine Zeit lang nichts.

Als ich wieder zu mir komme, steht ein schwarz gekleidetes Mädchen mit schwarzen Haaren vor mir und fragt mich nach dem Weg zu Subjektiver Ehrlichkeit. Ich nehme an, dass das der Titel eines hier ausgestellten Kunstwerks ist und zeige mit meinem ausgestreckten Mittelfinger auf ein Bild im hinteren Teil des Raumes. 50% der Leute haben sicher einfach den Wikipedia-Eintrag von Vernissage auf Facebook geliked. Bestätige ich mich gedanklich.

Doch dann falle ich hin und keiner hilft mir hoch. Ich bin wütend und schreie: „Hitler würde auch Medienwissenschaften studieren.“ Doch kurz darauf fällt mein Studentenausweis aus meiner Tasche und einer der Besucher merkt an, dass wir dann ja Kommilitonen sein würden. Ich sage überrascht, dass das wohl stimme. Und überlege mir wie ich mich ihm gegenüber am besten Verhalten würde.

Beim Verlassen der Vernissage frage ich eines der Mädchen in schwarz noch, ob es öfter vorkommt, dass man sich auf einer solchen Veranstaltung verliebt. Sie winkt genervt ab und ich komme nicht mehr dazu, ihr zu sagen, dass ich mich hier und heute in subjektive Ehrlichkeit verliebt hätte, aber noch nicht genau wüsste, ob ich vielleicht nur das Bild davon ganz süß finde.

Weil der Akku meines Handys alle ist, like ich den Wikipedia-Eintrag von Vernissage bei Facebook und bestelle mir neue Schuhe erst, als ich zuhause ankomme.

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